Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit
MEHR FORTSCHRITT WAGEN heißt es in großen Lettern als Slogan des jüngst veröffentlichten Koalitionsvertrag zwischen SPD, Bündnis90/DieGrünen und FDP. Bereits in der Präambel wird deutlich gemacht, dass trotz unterschiedlicher Traditionen innerhalb der drei Parteien die Bereitschaft gemeinsam Verantwortung für die Zukunft Deutschlands zu übernehmen im Fokus steht.
Doch welche Ziele verfolgt die Koalition in Sachen Klima, Energie und Transformation?
Hierauf gehen die Protagonisten ab Seite 54 des insgesamt 177 seitigen Vertrags ein. Gleich in der Einleitung wird deutlich gemacht, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien zu einem zentralen Projekt ihrer Regierungsarbeit gemacht wird und sowohl Klima- und Energie- also auch Wirtschaftspolitik auf den 1,5-Grad-Pfad ausgerichtet werden. Klimaneutral wolle man bis 2045 werden und am deutschen Atomausstieg halte man fest.
Im Koalitionsvertrag gliedern die Parteien die Themen Klima, Energie und Transformation wie folgt:
Klimaschutzgesetz
- Klimaschutz-Sofortprogramm bis Ende 2022
- Einführung eines Klimachecks im Prozess von Gesetzesentwürfen zur Gewährleistung der Vereinbarkeit eines Gesetzes mit den nationalen Klimaschutzzielen
- Jährliches sektorübergreifendes (Verkehr, Bauen und Wohnen, Stromerzeugung, Industrie und Landwirtschaft) Monitoring zur Überprüfung der Einhaltung der Klimaziele
Erneuerbare Energien
- Neuausrichtung des Erneuerbaren-Ziels auf einen höheren Bruttostrombedarf von 680-750 TWh im Jahr 2030
- 80% sollen aus grüner Energie stammen
- Der Netzausbau wird entsprechend beschleunigt
- Ziel eines Instrumentenmix (Instrument für förderfreien Zubau)
- langfristige Stromlieferverträge (PPA)
- europaweiten Handel mit Herkunftsnachweisen im Sinne des Klimaschutzes
- Regelungen, die dazu führen dezentral erzeugten erneuerbaren Strom auch von ausgeförderten Anlagen und Anlagen außerhalb der EEG-Förderung regional stärker zu nutzen
- Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren
- Die Nutzung von Solarenergie soll für gewerblich genutzte Dachflächen (bei Neubaten) zukünftig verpflichtend sein (PV-Ziel: 200 GW bis 2030)
- 2 Prozent der Landesflächen sollen für Windenergie an Land ausgewiesen werden
- Offshore-Windenergie-Ziele: 30 GW bis 2030; 40 GW bis 2035; 70 GW bis 2045
- Entwicklung einer Biomasse-Strategie
- Vereinfachung der Förderung von Mieterstrom- und Quartierskonzepten
- 50 Prozent der Wärme aus Wärmenetze sollen bis 2030 klimaneutral werden
Kohleausstieg
- Kohleausstieg bis 2030
- Maßnahmen des Strukturstärkungsgesetzes werden vorgezogen bzw. beschleunigt
- Prüfung der Errichtung einer Stiftung oder Gesellschaft für die Organisation des Rückbaus der Kohleverstromung und die Renaturierung
Gas uns Wasserstoff
- Bau von Gaskraftwerken mit der Voraussetzung der Eignung für klimaneutrale Gase (H2-ready) – Nutzung von Erdgas für eine Übergangszeit
- Ziel einer Elektrolysekapazität von rund 10 GW bis 2030
- Technologieoffene Novelle der Erneuerbare-Energien-Richtlinie soll Förderprogramme effizienter gestalten
- Import von Wasserstoff wird auf klimapolitische Auswirkungen geprüft
- Investitionen zum Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur werden förderfähig
Netze
- Bundesnetzagentur und Netzbetreiber werden beauftragt einen Plan für ein Klimaneutralitätsnetz zu berechnen
- Planungs- und Genehmigungsverfahren zur Planung und Realisierung von Strom und Wasserstoffnetzen sollen beschleunigt werden
- „Roadmap" Systemstabilität bis Mitte 2023
Strommarktdesign
- Einsatz der Plattform „Klimaneutrales Stromsystem“ unter Einbezug von Stakeholdern aus Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft
- Reform der Finanzierungsarchitektur des Energiesystems
Sozial gerechte Energie
- Wegfall der EEG-Umlage zum 01.01.2023 bzw. Übernahme in den Haushalt
- Alternative Finanzierung nötiger Klimaschutzmaßnahmen über den EKF (Energie- und Klimafond)
- Auslauf der Förderung Erneuerbarer Energien mit der Vollendung des Kohleausstiegs
- Steigerung der CO2-Abgabe bei zeitgleichem sozialem Ausgleich
- Forderung eines ETS-Mindestpreises auf europäischer Ebene sowie Forderung eines zweiten Emissionshandels für die Bereiche Wärme und Mobilität (ETS 2)
Klima- und Energieaußenpolitik
- Ausbau der deutschen Umwelt-, Klima und Energiekooperationen
- Initiative zur Gründung von Klimapartnerschaften bei der G7-Präsidentschaft 2022
- Ziel eines globalen Emissionshandelssystems mit dem mittelfristigen Ziel eines einheitlichen CO2-Preises
- Erhöhung des deutschen Anteils an der internationalen Klimafinanzierung
- Ziel einer Reform des Energiecharta-Vertrages
Transformation der Wirtschaft
- Unterstützung von klimafreundlichen Innovationen
- Dekarbonisierung als wirtschaftlichen Katalysator nutzen
- Gründung der „Allianz für Transformation“ zur Sicherstellung stabiler und verlässlicher Rahmenbedingungen für die Transformation in den ersten 6 Monaten in 2022
- Transformationsfonds bei der KfW und Förderung von Leuchtturmprojekten zur Unterstützung von Unternehmen bei der Dekarbonisierung
- Industrievergünstigungen sollen an die Umsetzung wirtschaftlicher Energieeffizienzmaßnahmen geknüpft werden
Atom
- Die Standortsuche für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle soll entsprechend der gesetzlich festgelegten Prinzipien wissenschaftsbasiert, partizipativ, transparent fortgesetzt werden
- Einsetzen für die Abschaltung grenznaher Risikoreaktoren
Damit haben sich die Koalitionsparteien einiges vorgenommen. Wir dürfen gespannt sein, wie die einzelnen Punkte faktisch umgesetzt werden.